Heute verlassen wir unseren schönen aber windigen Platz an der Ouedüberquerung bei dem alten französischen Fort Bou Jerif (Oued= Fluss). Wir möchten nach Tan-Tan – dem letzten größeren Ort vor dem Gebiet der West-Sahara und von unserem jetzigen Standort rund 100 Kilometer entfernt.
Hört sich nicht viel an und wäre auf deutschen Autobahnen – ohne Stau – in wenigen Stunden gut zu schaffen Aber die Navigatorin des Sternwanderers hat mal wieder eine besondere Routenidee: irgendwo stand mal was davon, dass man von Fort Bou Jerif bis nach Tan-Tan über eine Allradpiste auf dem Hochufer am Plage Blanche entlang fahren kann. Nun ist auf dieser nun ins Auge gefassten Strecke eher nicht mit einem Stau zu rechnen. Dafür werden wir aber für die relativ überschaubare Distanz auf den Pisten der -trotz ihrer Nähe zum Meer- wüstenartigen Region voraussichtlich 2 Tage brauchen. Das liegt daran, dass man sich die Pisten hier nicht wie Feldwege in Deutschland vorstellen darf (auf denen man sicher schnelle voran käme) – die Pisten hier sind oft ausgewaschen, mit Felsplatten durchzogen oder mit groben Steinen übersäht, so dass wir dafür bisher eine Reisegeschwindigkeit zwischen 10 und 20 km/h gewähllt haben, damit es im Gebälk des Sternwanderers nicht zu sehr kracht.
Aber das genau ist ja einer der Gründe für uns, nach Marokko zu reisen: abseits der Hauptstrassen durch fast menschenleere Regionen zu fahren. Schnelligkeit spielt für den SternWANDERER dabei nun wirklich keine Rolle.
Also machen wir uns auf den Weg: zuerst müssen wir die 9 Kilometer zurück zur Teerstraße, die uns nach weiteren 30 Kilometern westwärts zum Plage Blanche, dem hier so berühmten einsamen und fast 60 Kilometer langen Weissen Strand bringt. Die beiden Allradler Ralph und Birgit mit ihrem Dackelmischling Luka haben sich uns angeschlossen. Sie wollen mit Ihrem Steppenwolf, einem Mercedes 1017 die Strecke ebenfalls fahren, haben aber hierfür gerade nicht die passenden Karten bzw. Navigationssotftware zur Hand. Was liegt da näher, als sich zusammenzutun. Also verabschieden wir uns von den beiden netten Franzosen Olivier und Emililine, die mit ihrem Toyota Hilux noch etwas am Fort bleiben wollen. Die Dänen sind vorher schon mit ihrer Feuerwehr abgefahren…
Ralph und Birgit mit ihrem Steppenwolf in der Einsamkeit |
So, das erste Pistengeschaukel hat ein Ende, wir fahren auf die ziemlich neu asphaltierte Straße zum Plage Blanche
Eine mehr als einfache Hütte steht in Sichtweite. Manchmal fühlt man sich doch reichlich unwohl angesichts der für unsere Gesellschaft nicht vorstellbaren Armut, der wir hier oft begegnen. Der Sternwanderer ist sicher kein Luxusgefährt, aber aus der Sicht, der Menschen, die in dieser Hütte wohnen, muss er nach unermesslichem Reichtum aussehen. Ein beklemmendes Gefühl…
Nach ungefähr 40 Minuten Fahrt kommen wir an die Atlantikküste. Der Plage Blanche breitet sich vor uns aus. Bis auf die Handvoll Häuser, die man hier oberhalb des Strandes findet, wohnt hier niemand und lediglich 2 andere Wohnmobile stehen auf dem kleinen Schotterplatz oberhalb des Strandes und haben sich offensichtlich für längere Zeit häuslich eingerichtet. Wir schauen hinunter auf den hier an dieser Stelle mündenden Oued und auf den Atlantik mit seinen gewaltigen Wellen. Die Weite und Menschenleere ist schon sehr beeindruckend.
Schöner Ausblick, wenn man hier wohnt |
Nachdem der kräftige Wind uns lange genug durchgepustet hat, steigen wir wieder ein und fahren den Fluss entlang wieder ins Landesinnere: nach wenigen Kilometern gibt es laut digitaler Karte eine Möglichkeit, den Oued an einer flachen Stelle zu durchqueren, um dann auf die von uns ausgewählte Piste zu gelangen. Es gibt zwar auch eine „Schnellpiste“ in Richtung Süden aber diese befindet sich direkt auf dem Sandstrand. Wir wollen die Fahrzeuge nicht mehr als nötig dem Salzwasser aussetzen und außerdem sollte man, wenn man diese Strecke fahren will, den aktuellen Gezeitenkalender kennen, damit man die Fahrt beendet hat, wenn die Flut kommt. Soweit man denn keine Panne hat…Wir haben uns für die „gemütlichere“ Strecke entschieden und durchqueren an besagter Stelle erst einmal den Fluss.
Aufsatteln und los! |
Am Fluss entlang (der in unserer Karte leider keinen Namen trägt)
Hier geht es durch den nicht sehr tiefen Fluss |
Durch und gut is´… |
Hinter dem Fluss fahren wir prompt erst mal auf eine falsche Piste, die uns zwar ein paar Kamelen näherbringt aber danach leider wirklich nur noch für LandRover und Co. Zu befahren ist… Also wenden und rechts herum den etwas schmalen Anstieg hinauf, um auf das Hochplateau zu kommen.
Hmm, ob das die richtige Strecke ist…
…jedenfalls haben die Bach- und Flussläufe oft sehr tief in den Boden eingegraben – mit ein Grund nicht einfach so querfeldein fahren zu können. Man steht halt gern irgendwann vor metertiefen Kratern und darf dann umdrehen oder zumindest lange nach einer Durchfahrtmöglichkeit suchen (die längst nicht immer vorhanden ist)
Kamele groß und klein – und hier gibt´s sogar welche, die im LKW sitzen… |
Also wenden…
…und das Ganze rechts herum
So – jetzt aber! Hier geht´s hoch.
Schöner Blick von hier in das “Kameltal”
Hochplateau trifft das Ganze: – ziemlich flach hier. Nur in der Ferne ein paar einsame Hügel, die sich beim Näherkommen als ausgewachsene Berge herausstellen würden. Wir haben schon ein paar Mal bemerkt, dass man hier Enfternungen und Größen gern mal völlig unterschätzt.
Einsame Hütte in der Weite der Landschaft
Sag mal einer, die Wüste wäre langweilig. Man muss nur näher hinsehen.
Fahrerwechsel
Nur einmal sehen wir eine größere Herde Schafe und Ziegen, die durch´s Land streifen.
Auch schon ein paar Mal hier in Marokko erlebt: man denkt, man ist in einer völlig menschenleeren Gegend und plötzlich wächst irgendjemand unvermittelt aus dem Boden: Hirten. Eselreiter. Einfach nur Menschen, die zu Fuß irgendwohin wollen. Man fragt sich, wo die herkommen. In der gesamten Umgebung ist keine Behausung zu erkennen. Trotzdem ist er da: der einsame Eselreiter (hier der winzige schwarze Punkt etwas links von der Bildmitte). Es bleibt ein Mysterium…
Obwohl: ein paar Kilometer weiter wird es wieder deutlich belebter: Schafe, Ziegen, Kamele und ein Esel, der sich zu fragen scheint: wer von uns ist hier eigentlich der Esel? Ich MUSS hier stehen aber was macht IHR eigentlich hier???
Gleich darauf liegt die Gegend wieder ohne sichtbare lebende Wesen da: still und regungslos, wäre da nicht der unablässige, stürmische Wind. So schaukeln wir über die Pisten, bis wir am späten Nachmittag einen riesigen Talkessel erreichen. Wir halten, um den Blick von hier oben in das Tal zu genießen. Beeindruckend.
Allerdings auch sehr windig wie man sieht. Da flattert einem ganz schön das Hemd.
Auf dem Weg zum Talrand |
Was für eine Aussicht! |
Die steilen Felsabbrüche sind für den ständig herumstromernden Luka irgendwie nicht so geeignet: Ralph hat Bedenken, dass der Hund sich aus Unwissenheit in die Tiefe stürzt und trägt ihn vorsichtshalber mal ins Auto
Ein Tragehund – haben wir auch noch nicht geseh´n |
Da unten im Tal die nächste Flussdurchfahrt auf uns wartet, müssen wir hinunter in den Talkessel. So rollen wir langsam auf der holprigen Piste hinab. Hier unten weht der kräftige Wind wenigstens etwas weniger, und so beschließen wir, das zur Zeit trockene Flussbett erst morgen zu überqueren und an der anderen Seite wieder in die Höhe zu fahren. Dort oben ist der Wind nämlich deutlich unangenehmer. Also schlagen wir hier unser Lager für die Nacht auf. — Außer dem Wind gibt es hier keine Geräusche. Schön!
Für den gesamten Talkessel reicht das Weitwinkelobjektiv der Kamera nicht |
Erkundungsspaziergang |
Flusslandschaft aus Sand |
Da es heute ziemlich bedeckt ist, wird es schon bald nach 19 Uhr dunkel. Wir sitzen immer noch draußen und genießen die Stille und die vollkommene Dunkelheit um uns herum.
So gegen halb neun sehen wir über uns auf der Hochebene Autoscheinwerferstrahlen durch die Dunkelheit fingern. Wir wundern uns darüber, dass in dieser Dunkelheit jemand diese Strecken hier überhaupt fährt. Eigentlich ziemlich ungewöhnlich, da man die Unebenheiten in der Piste im Scheinwerferlicht viel zu spät sieht und die Fahrt damit unnötig anstrengend für Mensch und Fahrzeug wird. Das Scheinwerferlicht zieht langsam hoch über unserem Schlafplatz an uns vorbei. Seltsam. Aber gut, wird wohl irgendein Einheimischer sein, der die Strecke schon im Schlaf kennt, denken wir uns noch. Dann ist irgendwann für uns Schlafenszeit angesagt.
In der späten Dämmerung zeigt sich doch noch einmal ein Stück blauer Himmel |
Wir setztn unseren gestrigen Weg fort und fahren ein kleines Stück im Flussbett und dann den kurzen, steilen Anstieg auf das andere Ufer hinauf. Ab hier geht es mehr oder weniger parallel zum Fluss (wenn auch in einigem Abstand) wieder auf die Küste zu.
Das Flußbett als willkommen glatte Strecke
Hier geht es wieder die Uferböschung hoch |
Puh – durchgequetscht
Unser Übernachtungstal und das trockene Flussbett von oben
Als Pistenmarkierungen findet man häufig mehr oder weniger kunstvolle Steinmännchen. Hier sind es mal lediglich bunte Steinchen. Bisschen wie bei Hänsel und Gretel. Aber vor allem nur was für Tagfahrten, weil man im Dunkeln diese Art der Markierungen sicher gar nicht sieht. So ist´s hier halt.
Der Steppenwolf folgt in einigem Abstand
Langsam wird die bisher sehr steinige Piste weicher und sandiger. Man merkt, dass man wieder in Strandnähe kommt.
Von der Piste aus können wir in ein tiefes Flusstal schauen, das von rund hundert (!) Meter hohen Sanddünen begrenzt wird. In diesem Fluss ist sogar noch ein wenig Wasser zu sehen Diese Sandmassen und Dünenhöhen sind überwältigend und wir stehen lange da und schauen einfach nur.
Während wir so schauen fährt Mitlitärfahrzeug mit ein paar Soldaten an uns vorbei. In dieser einsamen Gegend ist immer mal wieder irgendwio ein kleinerer Mililtärposten stationiert. Sie fahren an uns vorbei und grüßen freundlich.
Wunderschön windet sich der Fluss durch die Dünen
Lotta hat ein paar Blüten gefunden, die im Wüstensand blühen
Klein aber fein |
Wir fahren noch ein Stück an diesem beeindruckenden Flusstal entlang Richtung Westen, bis wir die Flussmündung und damit wieder den Atlantik erreichen. Wir kommen an einen Mini-Militärposten (mit 2 Mann besetzt) und eine Ansammlung von ein paar ziemlich windzerzausten Fischerhütten, die hier hoch über der Flussmündung am Atlantik ihrem Broterwerb nachgehen. Und wir trauen unseren Augen kaum: wessen Auto steht da direkt vor de Hütten? Der Hilux der beiden Franzosen, von denen wir uns doch gestern am Fort verabschiedet hatten. Jetzt ist uns auch klar, wer da in der Dunkelheit über die Piste an uns vorbei geholpert ist. Von wegen Einheimischer…Wir fragen uns nur: wieviel bekommt man auf diese Weise von der Landschaft zu sehen??
Am Flusstal entlang
Noch ein altes verfallenen Fort |
Einen kleineren Militärposten haben wir noch nicht gesehen
Flussmündung tief unter uns – leider nur mit sehr spärlichem Wasser |
Na, DEN kennen wir doch!?!
Das Hallo ist jedenfalls groß!
Einer der Soldaten fragt uns, ob wir frischen Fisch möchten. Da sagen wir nicht nein. Emiline und Olivier hatten bereits das Vergnügen und sind gerade noch dabei, ihren Fisch zu vertilgen. Wir folgen ihnen auf Einladung des Besitzer in seine Hütte und nun sitzen wir bei Mustafa, der „mal eben“ nach unten an den Strand verschwindet, um innerhalb von einer halben Stunde 3 große Fische mit dem Netz aus dem Wasser zu ziehen, auszunehmen und für uns zu grillen. Und nebenbei noch ein frisches Fladenbrot zu backen. Rekordverdächtig. Und super lecker. Wir haben wohl noch nie besseren Fisch gegessen!!
Mustafa kocht uns noch in seiner aus Miniküche einen Marrokanischen Minztee zum Abschluss. Wir haben das Gefühl, sehr herzliche Gastfreundschaft geniessen zu dürfen und das trotz der offensichtlich mehr als einfachen Verhltnisse, in denen Mustafa und seine Kollegen hier leben. Wir lassen ihm für seine Mühe daher natürlich eine anständige Bezahlung da, obwohl er beteuert, er wolle nichts annehmen, da er ja schließlich kein Restaurant sei.Wir denken, er kann das Geld trotzdem ganz gut gebrauchen. Ebenso wie die funkelnagelneue Wachstuschtuchdecke, die Ralph und Birgit ihm noch spendiert haben. Seine alte hatte schon ziemlich viele Löcher und er hat sich über seine neue Errungenschaft sichtlich gefreut…
Unverhofftes Wiedersehen mit den beiden Franzosen
Die beiden hatten schon ihre Fischplatte
Mustafa in seiner Allround-Miniküche
Fischerhütten-Interieuer – nicht vom Möbeldesigner aber praktisch
Emiline und Olivier sind schon sehr satt und zufrieden
Jedenfalls ist von ihrem Fisch nicht mehr viel übrig
Der Küchenschrank aus einem alten Mercedes Ölkanister! Sicher ein sehr individuelles Möbelstück! |
Der Weltempfänger hat High-Tech:USB und Kartenleser! |
Mustafa war gerne bereit, ein wenig zu modeln |
Zimmer mit Aussicht |
Erinnerungsfotos müssen natürlich sein!!
Wir dürfen das restliche Brot noch mitnehmen. Das wird unser Frühstück morgen früh!
Natürlich brüderlich geteilt mit den Steppenwölfen
Nun ist es schon später Nachmittag geworden und wir haben ja noch einiges vor uns. So langsam müssen wir wieder los…
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FORTSETZUNG FOLGT